Geduld

Der Ungeduldige ist intolerant. Beim Versuch, über das Leben zu herrschen, wird er von seiner Ungeduld beherrscht.

Durch Geduld kommt man oft schneller ans Ziel als durch Tatendrang.

Es gibt Widrigkeiten, die momentan widrig sind, langfristig aber förderlich. Wem die Geduld fehlt, sie anzunehmen, weist auch das Gute zurück, das sie bringen könnten.

Geduld kann ein Zeichen der Reife sein oder ein Ausdruck der Resignation. Missstände zu ertragen, obwohl man sie beheben könnte, sollte man nur tun, wenn es gute Gründe dafür gibt.

  1. Begriffsbestimmung
  2. Existenzielle Ausgangslage
  3. Abwehrmechanismen

1. Begriffsbestimmung

Geduld setzt sich aus der Vorsilbe ge- und dem Verb dulden zusammen. Die Vorsilbe benennt eine Versammlung. Dulden geht auf das althochdeutsche dolēn zurück. Leicht herauszuhören ist die Verwandtschaft des deutschen Verbs mit dem englischen to thole = leiden, dem schwedischen tåla = ertragen und dem gleichbedeutenden lateinischen Verb tolerare. Alle vier gehen auf die indogermanische Wurzel tel[ᵊ] = aufheben, wägen, tragen, dulden zurück. Geduld ist die umfassende Bereitschaft, Umstände anzunehmen, die als Last empfunden werden.

Annehmen oder hinnehmen
Was zunächst als synonym erscheinen mag, ist es in Wirklichkeit nicht.

2. Existenzielle Ausgangslage

Der Mensch lebt in der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist ein ambivalentes Erfahrungsfeld, das dem Individuum einerseits die Gelegenheit bietet, sich darin zu entfalten, das ihm andererseits aber Widrigkeiten entgegensetzt. Widrigkeiten kann man entweder beseitigen oder man kann es nicht. Kann man Widrigkeiten nicht oder noch nicht beseitigen, entstehen unangenehme Gefühlsqualitäten, die einen Leidenszustand begründen: Angst, Wut, Hass, Neid, Gier, Scham, Schuld oder Trauer. Oft sind es diffuse Mischungen verschiedener Qualitäten. Ohne dass unangenehme Gefühle oder Stimmungen im Bewusstsein auftauchten, gäbe es nichts zu erdulden.

Die vier genannten Bedeutungen der indogermanischen Wurzel tel[ᵊ] beleuchten unterschiedliche Aspekte der Geduld:

3. Abwehrmechanismen

Wer darauf vertraut, dass alles seine Zeit hat, kann warten, bis sie kommt. Die übrigen sind ungeduldig, weil sie glauben, niemals ans Ziel zu kommen, falls sie nicht sofort etwas dafür tun, oder sie versinken in Trübsal, weil ihnen die Welt als bloßes Jammertal erscheint.

Es gibt Menschen, die Geduld üben, solche, die resignieren und solche die ungeduldig auf sofortige Behebung misslicher Umstände drängen. Sie üben verschiedene psychologische Abwehrmechanismen aus.