Geduld


  1. Begriffsbestimmung
  2. Existenzielle Ausgangslage
  3. Geduld, Erfolg, Beharrlichkeit
  4. Vertrauen
  5. Abwehrmechanismen
Es gibt Widrigkeiten, die momentan widrig sind, langfristig aber förderlich. Wem die Geduld fehlt, sie anzunehmen, der weist auch das Gute zurück, das sie bringen könnten.

Geduld kann ein Zeichen der Reife sein oder ein Ausdruck der Resignation. Missstände zu ertragen, obwohl man sie beheben könnte, sollte man nur, wenn es gute Gründe dafür gibt.

1. Begriffsbestimmung

Geduld setzt sich aus der Vorsilbe ge- und dem Verb dulden zusammen. Die Vorsilbe benennt eine Versammlung. Dulden geht auf das althochdeutsche dolēn zurück. Leicht herauszuhören ist die Verwandtschaft des deutschen Verbs mit dem englischen to thole = leiden, dem schwedischen tåla = ertragen und dem gleichbedeutenden lateinischen Verb tolerare. Alle vier gehen auf die indogermanische Wurzel tel[ᵊ] = aufheben, wägen, tragen, dulden zurück. Geduld ist die umfassende Bereitschaft, Umstände anzunehmen, die als Last empfunden werden.

Annehmen oder hinnehmen
Was zunächst als synonym erscheinen mag, ist es in Wirklichkeit nicht.

2. Existenzielle Ausgangslage

Der Mensch lebt in der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist ein ambivalentes Erfahrungsfeld, das dem Individuum einerseits Gelegenheit gibt, sich darin zu entfalten, das ihm andererseits aber Widrigkeiten entgegensetzt. Widrigkeiten kann man entweder beseitigen oder man kann es nicht. Kann man Widrigkeiten nicht oder noch nicht beseitigen, kommen unangenehme Gefühle auf, die Leid begründen: Angst, Wut, Hass, Neid, Gier, Scham, Schuld oder Trauer. Oder es kommt zu psychosomatischen Symptomen, die auf heftige seelische Konflikte hindeuten. Oft sind es diffuse Mischungen verschiedener Qualitäten. Ohne dass unangenehme Gefühle oder Stimmungen im Bewusstsein auftauchten, gäbe es nichts zu erdulden.

Die vier genannten Bedeutungen der indogermanischen Wurzel tel[ᵊ] beleuchten unterschiedliche Aspekte der Geduld:

Viele Erfolge bleiben aus, weil man nicht die Geduld hat, durchzuhalten.

3. Geduld, Erfolg, Beharrlichkeit

Zur Geduld gehört die Bereitschaft, nichts zu tun. So könnte man meinen, dass ihr Wert bei aktiven Menschen nur wenig in Erscheinung tritt. Falsch gedacht! Es ist vielmehr so, dass die meisten Früchte menschlichen Tuns nicht nur Zeit zur Reife brauchen, sondern bis dahin kontinuierliche Pflege. Beziehungen wurden abgebrochen, Lernziele verfehlt, Projekte aufgegeben. Warum? Weil vieles nur durch Beharrlichkeit zu erreichen ist. Und ohne die Bereitschaft, geduldig Erfolgen entgegenzugehen und dabei Widrigkeiten zu bewältigen, fehlt die Beharrlichkeit, die Erfolge nun mal brauchen.

Wer darauf vertraut, dass alles seine Zeit hat, kann warten, bis sie kommt. Die übrigen sind ungeduldig, weil sie glauben, niemals ans Ziel zu kommen, falls sie nicht sofort etwas dafür tun, oder sie versinken in Trübsal, weil ihnen die Welt als bloßes Jammertal erscheint.

4. Vertrauen

Die wichtigste Voraussetzung der Geduld ist das Vertrauen. Logisch: Nur wer darauf vertraut, dass sich die Dinge letztlich zum Guten wenden, lässt sich die Zeit, die er braucht, um Widrigkeiten substanziell zu überwinden. Substanziell heißt: Die Widrigkeit wird nicht nur umgangen. Sie wird dazu genutzt, über sie hinaus zu wachsen.

Werden Widrigkeiten nur umgangen, weil die Geduld fehlt, ihr Wesen zu verstehen, ist die Gefahr groß, dass ähnliche Widrigkeiten nicht lange auf sich warten lassen. Der Ungeduldige dreht sich oft im Kreise, was seine Ungeduld verstärkt. Der Geduldige lässt sich Zeit zu reifen, und kommt gerade deshalb schnell voran.

5. Abwehrmechanismen

Es gibt Menschen, die Geduld üben, solche, die resignieren und solche die ungeduldig auf sofortige Behebung misslicher Umstände drängen. Sie üben verschiedene psychologische Abwehrmechanismen aus.