Delir


  1. Symptome
    1. 1.1. Sonderform: Entzugsdelir
      1. 1.1.1. Alkoholentzugs-Delir (Delirium tremens)
      2. 1.1.2. Delir bei Benzodiazepin-Entzug
  2. Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)
  3. Ursachen
    1. 3.1. Alter und Delir
  4. Therapie
    1. 4.1. Allgemeine Maßnahmen
    2. 4.2. Medikamentöse Behandlung
  5. Vorbeugung

1. Symptome

Zugehörige Begriffe

  • Durchgangs­syndrom
  • Akuter Verwirrtheits­zustand
  • Akutes hirnorganisches Psychosyndrom
  • Organische Psychose

Beim Delir (lateinisch: delirare bzw. de lira ire = neben der Spur gehen) handelt es sich um eine Störung der Hirnfunktionen, die sich hauptsächlich auf die kognitiven Funktionen, also die Verstandesfunktionen auswirkt. Dazu gehören...

Allerdings sind zuweilen auch unspezifische neurologische Symptome festzustellen.

Psychisch-kognitive und neurologische Symptome beim Delir

Psychische Kernsymptome Neurologische Begleit­symptome
  • Trübung des Bewusstseins
  • Orientierungs­störung
  • Verwirrtheit
  • Gedächtnis­störung
  • Halluzinationen (meist des Gesichtssinns)
  • Wahn
  • Personen­verkennung
  • Psychomotorische Unruhe
  • Apathie / Teilnahms­losigkeit
  • Angst
  • Muskel­zuckungen
  • Störung der Bewegungs­koordination
  • Verwaschene Sprache
  • Wortfindungs­störungen

Die psychomotorische Unruhe gehört zu den Kernsymptomen des Delirs. Es gibt jedoch auch Verläufe, bei denen Unruhe kaum auffällt oder gar durch das gegenteilige Symptom passiver Teilnahmslosigkeit ersetzt ist.

Je nach Verlaufstyp spricht man entweder vom hyperaktiven (umtriebigen) oder vom hypoaktiven (apathischen) Delir. Egal ob hyperaktiv oder hypoaktiv, das Delir ist eine schwerwiegende Komplikation, die die Sterblichkeitsrate vieler Krankheiten deutlich in die Höhe treibt.

Delire gemäß ICD-10-Klassifikation der WHO

Name ICD
Delir ohne Demenz F05.0
Delir bei Demenz F05.1
Delirium tremens (Alkohol­entzugs­delir) F10.4
1.1. Sonderform: Entzugsdelir

Gerade bei jungen Patienten sind Delire meist auf den Entzug von Alkohol oder Benzodiazepinen zurückzuführen.

1.1.1. Alkoholentzugsdelir (Delirium tremens)

Das Alkoholentzugsdelir tritt vor allem bei Spiegeltrinkern auf, sobald diese ihren Alkoholkonsum plötzlich einstellen oder deutlich reduzieren.

Als Spiegeltrinker bezeichnet man alkoholkranke Patienten, die sich nicht etwa "sinnlos" betrinken, bis schwere neurologische Ausfälle und/oder Bewusstseinsstörungen eintreten, sondern die ihren Alkoholkonsum so steuern, dass sie möglichst unauffällig bleiben, indem sie Entzugserscheinungen durch regelmäßiges Nachtrinken verhindern.

Das Entzugsdelir beginnt Stunden bis Tage nach dem letzten Alkoholkonsum. Es hält unbehandelt bis zu einer Woche an. Neben den oben genannten Kernsymptomen kommt es beim Alkoholentzugsdelir oftmals zu einer vegetativen Entgleisung mit...

Zum Vollbild gehören außerdem optische und szenische Halluzinationen sowie Angst­zustände. Oft werden dabei kleine Tiere gesehen, zum Beispiel die berühmten weißen Mäuse; was jedoch keineswegs die Regel ist. Meist werden die Inhalte der Halluzinationen aber als bedrohlich erlebt.

Zur klassischen neurologischen Begleitsymptomatik des Alkoholentzugsdelirs zählen epi­leptische Krampfanfälle mit schlagartigem Verlust des Bewusstseins, tonisch-klo­nischen (griechisch teinein [τεινειν] = anspannen und klonein [κλωνειν] = schütteln) Muskelzuckungen am ganzen Körper, Zungenbiss und Einnässen (soge­nannte Grand-mal-Anfälle). Unbehandelt führt das Alkoholentzugsdelir oft zum Tode.

1.1.2. Delir bei Entzug von Benzodiazepinen / Tranquilizern

Die häufigsten Entzugserscheinungen bei körperlicher Abhängigkeit von Benzodiaze­pinen sind...

Besonders bei plötzlichem Entzug kann es auch hier zu einer psychotischen Entgleisung im Sinne eines Entzugsdelirs kommen. Typisch dafür sind optische Halluzinationen sowie Veränderungen der optischen Wahrnehmung: z.B. Mikropsie oder Makropsie. Bei der Mikropsie werden Gegenstände kleiner wahrgenommen, als sie tatsächlich sind, bei der Makropsie ist es umgekehrt.

2. Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)

Das Delir kann mit anderen Erkrankungen verwechselt werden. Zu nennen sind:

Um die richtige Diagnose zu stellen, gilt es auf typische Charakteristika des Delirs zu achten. Zur Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen können folgende Kriterien nützlich sein:

3. Ursachen

Das Delir ist keine eigenständige Krankheit. Es ist vielmehr die gemeinsame Endstrecke vieler verschiedener Ursachen, die jeweils zu einer umfassenden Störung der Stoff­wechselprozesse im Gehirn führen und dadurch ein delirantes Syndrom auslösen. Formal gesehen ist das Delir eine organische Psychose. Man geht davon aus, das folgende Faktoren bei der Pathogenese (= Krankheitsentstehung) eine wichtige Rolle spielen:

Entsprechend der vielfältigen pathogenetischen Mechanismen gibt es eine große Zahl möglicher Ursachen, die Ausgangspunkt der Entstehung eines Delirs sein können. Die Vielzahl möglicher Ursachen kann man drei Kategorien zuordnen:

Als iatrogen (griechisch Iatros (ιατρος) = Arzt) bezeichnet man Symptome und Krankheiten, die Folge ärztlichen Handelns sind.
  1. allgemeinen Risikofaktoren
  2. speziellen Vorerkrankungen
  3. den Folgen medizinischer Maßnahmen (iatrogen)
3.1 Alter und Delir

Das Gleichgewicht der Stoffwechselprozesse wird im Alter zerbrechlich. Daher kommen Delire jenseits des Suchtbereichs vor allem bei alten Menschen vor.

Ältere Menschen sind oft einer Vielzahl delirogener Risikofaktoren ausgesetzt, deren Wirkungen sich zu einem Delir aufsummieren. Zu nennen sind vor allem:

Grundregel

Je älter man ist, desto anfälliger ist der Hirnstoffwechsel. Je anfälliger der Stoffwechsel, desto kleiner die Ursache, die zu einem Delir führt.

Da Delire die Lebenserwartung deutlich verringern können und nach Abklingen der deliranten Symptomatik bei älteren Menschen oft eine dauerhafte Verschlechterung der Hirnleistung zurückbleibt, ist eine besondere Achtsamkeit gegenüber deliranten Symptomen geboten. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Vielzahl hypoaktiver Verläufe, deren Symptomatik nach außen hin kaum auffällt.

4. Therapie

Das Delir ist eine gefährliche Komplikation. Es gehen dreierlei Gefahren von ihm aus:

  1. Unmittelbare Schäden der körperlichen Gesundheit durch den Krankheitsprozess selbst
  2. Eigengefährdung durch wahnhafte Verkennung der Realität und Verlust der Orientierung
  3. Fremdgefährdung durch Wahn und Orientierungsstörung

Wegen der Gefährlichkeit des Delirs sind sofort nach Stellung der Diagnose thera­peutische Maßnahmen einzuleiten.

Der Schwerpunkt der antideliranten Therapie richtet sich nach der Ursache. Bei der Vielzahl delirogener Faktoren, gilt es zunächst - soweit als möglich - alle Faktoren auszuschalten, die das Delir begünstigen. Dazu gehören vor allem auch Medikamente, die Delire provozieren können. Darüber hinaus sind allgemeine und gegebenenfalls medikamentöse Maßnahmen angezeigt.

4.1. Allgemeine Maßnahmen

Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören:

4.2. Medikamentöse Behandlung

Bei der medikamentösen Behandlung ist zwischen Entzugsdeliren und sonstigen Formen zu unterscheiden.

Neben der Beseitigung psychotischer Symptome ist die Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus ein vordringliches Ziel der medikamentösen Therapie.

Beim Entzugsdelir kommen je nach Suchtmittel teils unterschiedliche Substanzen zum Einsatz.

Beim Entzug von Benzodiazepinen wird so viel suchterzeugende Substanz verabreicht, bis das Delir verschwindet. Dann wird die Dosis in kleinen Schritten reduziert, sodass dabei kein Delir auftritt.

Zur Behandlung des Alkoholentzugsdelirs werden Clomethiazol, Carbamazepin, Tiapridal und Benzodiazepine eingesetzt.

Um Wahn, Halluzinationen und psychomotorische Unruhezustände bei sonstigen Deli­ren zu behandeln, kommen Neuroleptika zum Einsatz. Dabei ist darauf zu achten, dass man nur Substanzen verwendet, denen eine anticholinerge Wirkkomponente fehlt:

Neuroleptika mit anticholinerger Komponente (siehe oben) können ihrerseits Delire hervorrufen.

5. Vorbeugung

Wegen der Gefährlichkeit des Delirs ist Vorbeugung wichtig.

Ein geplanter Entzug von Suchtmitteln sollte nur in Rücksprache mit einen Arzt erfol­gen. Dieser kann vorbeugende Medikamente verordnen. Sind aus der Vorgeschichte bereits ein Entzugsdelir oder Entzugskrämpfe bekannt, sollte der Entzug nur unter stationärer Überwachung stattfinden. Gleiches gilt, wenn andere Erkrankungen bekannt sind, die einen ambulanten Entzug als unvertretbar erscheinen lassen; zum Beispiel Epilepsie, Diabetes mellitus oder schwere Herzerkrankungen.

Zur Verhütung des Delirs bei älteren Menschen ist auf die Vermeidung jener Faktoren zu achten, die Delire fördern. Geeignete Maßnahmen sind:

Generell gilt: Alles, was das wache Bewusstsein auf die Realität ausrichtet, beugt Deliren vor.