Kurze Bemerkungen


A

Anhaftung

Der Buddhismus spricht von Anhaftung. In der psychologischen Nomenklatur entspricht das der Abhängigkeit. Beide Begriffe bezeichnen eine psychologische Gebundenheit; also einen Mangel an innerer Freiheit. Die Ursache einer Anhaftung ist eine Vorstellung; ein mentales Konstrukt, das man für wahr hält und an dem man in der Folge festhält. Der Abhängige lebt in der irrtümlichen Vorstellung, bestimmte äußere Bedingungen seien für sein Wohlbefinden unverzichtbar. Er meint: Ohne dass ich dies oder das bekomme, kann es mir nicht gutgehen. Er verliert seine Freiheit, weil er glaubt, dies oder jenes tun zu müssen, um die Bedingungen zu erfüllen, die er für notwendig hält.

In der Tat gibt es eine Reihe von Bedingungen, die für das leibliche Wohl unabdingbar sind: Luft, Nahrung, Wärme etc. Anhaftungen beruhen jedoch auf Trugbildern, die ihrerseits mit der Illusion verbunden sind, das seelische Wohlbefinden bestehe daraus, als Person möglichst viel Erfolg in der Welt zu haben. Tatsächlich hängt das seelische Wohlbefinden aber weniger von Bedingungen ab, als vielmehr von der Bedeutung, die man ihnen zuschreibt. Die Bedeutung, die man äußeren Bedingungen zuschreibt, hängt von inneren Ausrichtungen ab: in der Summe vom Selbst- und Weltbild. Je mehr Irrtümer ins Selbst- und Weltbild einfließen, desto abhängiger ist man. Je mehr Wahres man aufnimmt, desto freier wird man.

Irrtümliche Verknüpfungen zwischen äußeren Bedingungen und der eigenen Befindlichkeit als illusionär zu erkennen, ist die Grundlage seelischer Reifung; gleichermaßen in Psychotherapie und Spiritualität. Wer das Glück nicht mehr in bedingten Erfolgen sucht, findet es im unbedingten Sein. Glück ist die Erkenntnis, dass die Freiheit unbedingt ist. Glück und Freiheit sind eins.

Ansprüche

Wer ein vier-blättriges Kleeblatt sucht, muss sich mühen und wird vielleicht nie fündig. Wer sieht, wie entzückend selbst drei-blättrige sind, führt ein Leben in Fülle.

B

Bedeutung

Die Person, also das relative Selbst, befindet sich in der Raumzeit. Die Raumzeit befindet sich im absoluten Selbst. Wenn das so ist, erklärt es, warum das Leben des Einzelnen Bedeutung hat, obwohl seine Bedeutung in der Raumzeit gegen Null geht.

Im normalen, also egozentrischen Funktionsmodus, weist die Person partiellen Elementen der Wirklichkeit eine dominante Bedeutung zu; Elementen, die dem entsprechen, was sie für ihren Vorteil hält. Dadurch kommt es zu einer Verzerrung der Realitätsdeutung, die vom Ego bestenfalls im Ansatz, im Regelfall gar nicht wahrgenommen wird. Diskussionen über Richtig und Falsch werden in der Folge oft emotional geführt. Die Emotion, wörtlich die Herausbewegung, zeigt an, wie nachdrücklich das Individuum ausrückt, um sein Interesse durchzusetzen. Im Gewand der Meinung werden persönliche Interessen als angeblich allgemeingültige Aussagen über die Welt maskiert.

Beteiligung

Sich an etwas zu beteiligen heißt, sich dem Feld als Teil zuzufügen, in das man eintritt. Dabei ist das Feld stets größer als der Teil, der man darin ist.

Teil eines bestimmten Feldes zu sein, heißt, den besonderen Kräften ausgesetzt zu sein, die innerhalb des Feldes wirken. Und es heißt, das Kraftfeld durch die eigene Gegenwart zu ändern. Da die Kräfte, denen man sich durch den Beitritt aussetzt, nicht vollständig neutralisiert werden können, wird jede Mitgliedschaft durch einen Verlust an Selbstbestimmung begleitet. Wer mitmacht, schränkt sich ein, indem er sich in etwas Größeres einfügt, und er erweitert sich, indem er sich ein Feld eröffnet, in das er sich entfalten kann. Wer Mitglied eines Feldes ist, ist mitverantwortlich für das, was im Feld geschieht.

c

Dankbarkeit

Wer dankbar ist, erkennt an, dass er Gutes erhalten hat. Das wird zunächst dem Geber nützen, weil es den Wert seiner Gabe und damit auch ihn bestätigt. Darüber hinaus festigt Dankbarkeit Bindungen. Das ist zu beider Seiten Vorteil.

Wer anerkennt, dass es Gutes gibt, wird sich der Welt zuwenden; und nur, wer sich der Welt nicht verschließt, weil sie auch Übles enthält, kann überhaupt Gutes empfangen. Daher macht es Sinn, auch dem Himmel für allerlei zu danken, obwohl wir nicht wissen, ob ihm unser Dank etwas wert ist. Uns nützt derlei Dankbarkeit allemal.

G

Gäste und Feinde

Das lateinische Wort für Gast = hospes ist mit dem für Fremdling und Feind = hostis verwandt. Das ist logisch. Als Gast betritt man ein Gebäude, wenn man nicht zum engsten Kreis derer gehört, die darin wohnen oder arbeiten. Selbst wenn der Gast ein guter Freund ist, gehört er aus Sicht der gastgebenden Gemeinschaft nur relativ dazu. Er bleibt gewissermaßen fremd. Fremd geht auf althochdeutsch fram = weiter weg, entfernt zurück.

Doch was hat der Gast mit dem Feind zu tun? Zweierlei:

  1. Liebe geht durch den Magen. Feinde können zu Gästen werden, wenn man sie füttert. Vor derart gezähmten Feinden braucht man sich weniger zu fürchten, als wenn der Hunger sie unbewirtet plagt.
  2. Gäste können aber auch zu Feinden werden, wenn sie mehr Fütterung erwarten, als der Gastgeber zu geben bereit ist.

Wer Fremde zu sich einlädt, sollte sich darüber Gedanken machen, ob das, was er aus seiner Speisekammer verschenken will, auf Dauer dem Appetit seiner Gäste genügen wird. Wenn nicht, sind Feindseligkeiten vorprogrammiert.

Gefahrenabwehr

Das Leben ist gefährlich. Wenn man nichts dagegen unternimmt, wird man in kürzester Zeit aus der Welt entfernt. Kein Wunder, dass der Mensch sich fürchtet. Die Hauptaktivität des Menschen besteht daher daraus, etwas zu tun, um künftigen Schaden zu verhindern. Man versucht, die Wirklichkeit zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Bei der Einflussnahme auf die äußere Wirklichkeit stehen dabei drei Varianten im Vordergrund:

Das Bemühen um die Beeinflussung der Außenwelt geht bei vielen Menschen so weit, dass es fast ihre gesamte Aufmerksamkeit absorbiert. Im Grundsatz macht es Sinn, einen Teil der Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, die Außenwelt - insbesondere Bezugspersonen - zu beeinflussen. In der Regel wird aber zum Nachteil aller stark übertrieben. Viele Versuche, Einfluss zu nehmen, sind untauglich oder schädlich.

Fragen Sie sich, warum Sie einem anderen dies oder das erzählen. Sie werden sehen, wie oft Sie versuchen, andere auf verdeckte Weise zu steuern. Das muss nicht sein. Bleiben Sie bei sich. Erleben Sie die Angst, die Sie vor dem Leben haben. Nur so können Sie die Angst wirklich überwinden.

Erkenne Dich selbst
Alle Unruhe geht vom Impuls aus, in die Wirklichkeit einzugreifen. Dabei handelt es sich entweder um Eingriffe in die äußere oder in die innere Wirklichkeit. Eingriffe in die innere Wirklichkeit, also das persönliche Sosein, entspringen der Furcht, nicht zu genügen, wenn man so ist, wie man ist. Um die Unruhe hinter sich zu lassen, gilt es, in die Position des absoluten Beobachters zu wechseln. Der Beobachter unterlässt alle Versuche, etwas zu bewirken. Sein Wesen besteht darin, zu erkennen, was ist.
Glück

Glück ist ein Leben im Einklang mit der Bedeutung, die man hat. In der Regel messen wir unserer Person eine Bedeutung zu, die ihr objektiv betrachtet nicht zukommt. Wir machen uns wichtig, um der Gefahr zu entgehen, als Unwichtiges von der Wirklichkeit übergangen zu werden. Wir leben egozentrisch. Das führt zu einem chronischen Konflikt mit der Wirklichkeit, der uns daran hindert, mit ihr übereinzustimmen.

Tatsächlich kommt alle Bedeutung der Wahrheit zu. Bedeutung hat das, was in Wirklichkeit so ist, wie es ist. Dass dem Individuum weniger Bedeutung zukommt, als es selbst in der Regel glaubt, heißt nicht, dass es keine hätte. Seine tatsächliche Bedeutung verweist aber nicht auf den persönlichen Rang, den es für sich erstreitet, sondern entspricht der Wahrheit, die es erkennt und bezeugt. Wenn es Wahrheit erkennt und sie als sein Selbst bezeugt, kann es glücklich sein.

Vorstellungen können mehr oder weniger der Wahrheit entsprechen. Eine Vorstellung, die nicht für alle gut ist, ist für alle schlecht. Richtige Vorstellungen führen zum Glück, falsche in den Untergang.

Gott

Analog zur Null in der Mathematik ist der Begriff Gott in der Ontologie ein Platzhalter, der genutzt wird, um Bilder der Wirklichkeit zu entwerfen, die ohne ihn nicht möglich wären. Dabei besteht das Risiko, dass der Nutzer des Begriffs glaubt, er wisse, wofür der Platzhalter jenseits der Denkfigur tatsächlich steht. Sobald das passiert, wird aus Ontologie Mythologie.

Primär wird der Begriff Gott von konfessionellen Religionen verwendet. Konfessionen sind mythologische Welterklärungmodelle. Sie geben vor, etwas über Gott zu wissen; zum Beispiel:

Was in konfessionellen Religionen Gott genannt wird, kann in der Ontologie als bestimmende Kraft des Universums bezeichnet werden. Tatsächlich wissen wir nichts über die bestimmende Kraft des Universums; weil, wer etwas weiß, über dem steht, worüber er etwas weiß. Das Verhältnis zwischen der bestimmenden Kraft den Universums und einem Inhalt des Universums kann niemals etwas enthalten, was sich der Inhalt als eigenes Wissen vorstellt.

Glaube ersetzt Nicht-Wissen durch vermeintliche Kenntnis, die er durch die Offenbarungsbehauptung als absolut sicher etikettiert. Nicht-Wissen macht Angst. Die Verleugnung des Nicht-Wissens durch den Glauben, verlässliches Wissen sei offenbart, vermindert die Seinsangst des Egos.

Die psychologische Funktion der Theologien tritt bei Offenbarungsmythologien deutlich zutage. Einerseits bewirkt der Glaube, die bestimmende Kraft des Universums wende sich auserwählten Personen und deren Gefolgschaft persönlich zu, eine narzisstische Stärkung der entsprechenden Egos. Zur Logik dieser kosmischen Bedeutungsbeimessung gehört andererseits eine kompensatorische Demutshaltung, die den Gläubigen aller Offenbarungsmythologien gemeinsam ist. Die allfälligen Demutsgesten gegenüber der idealisierten Allmacht entsprechen der Selbsterhöhung, die sich als Auserwähltheitsphantasie zum Ausdruck bringt.

Da sich Offenbarungstheologien nicht an überprüfbarer Wahrheit zu orientieren versuchen, sondern Ausdruck unerkannter, verdrängter oder gar verleugneter Ansprüche sind, die ihre Egozentrik dogmatisch maskieren, bleibt die Demut, die die programmatische Selbsterhöhung verdeckt, durchsichtig. Wer sich vor Gott niederwirft, weil er glaubt, die bestimmende Kraft des Universums sei daran interessiert, dass er es tut, ordnet sich eine kosmische Bedeutung zu. Indem er sich demonstrativ unterwirft, versucht er den Hochmut vor Gott zu verbergen, den er sich selbst nicht eingestehen will.

Grenzen

Alles, was sich nicht abgrenzen kann, geht zugrunde.

Groß und klein

Die Unterscheidung zwischen groß und klein ist eine Verkennung des Unbedingten. Das Unbedingte liegt Großem zugrunde und geht daher darüber hinaus. Die Formel Gott ist groß verkennt das Absolute, weil sie vom Großen das Kleine abtrennt und damit beides verkleinert. Besser als das Unbedingte für groß zu halten, ist seine Präsenz anzuerkennen. Zur Anerkennung der Präsenz des Unbedingten führt kein Wissen über das Absolute, sondern die Erkenntnis des wahren Wesens des Bedingten. Wer das Bedingte als das annimmt, was es ist, hat das Unbedingte so anerkannt, dass es ihn davor schützt, sich zu verirren.

Gut und Böse

Es macht keinen Sinn, das Böse zu hassen, weil man durch Hass selbst zu Bösem wird. Gutes und Böses gehen beide aus dem Absoluten hervor. Das Böse kann als Mittel des Absoluten verstanden werden. Dank des Bösen haben wir die Chance, uns von ihm zu unterscheiden und damit zu Gutem zu werden. Als Ausdruck des Absoluten unterliegt das Böse nicht unserer Gerichtsbarkeit.

Gutmenschen und gute Menschen

Was den Gutmenschen vom guten Menschen unterscheidet ist der Vorsatz, vor sich und anderen als gut zu gelten. Gewiss: Auch dem guten Menschen gefällt es, als gut zu gelten. Beim ihm bestimmt das Bedürfnis aber nicht das, was er tut. Er ist nicht vorsätzlich gut, sondern beiläufig. Sich als etwas Gutes zu betrachten, steigert das Selbstwertgefühl. Daher hat der Vorsatz, gut zu sein, eine narzisstische Komponente. Beim Gutmenschen dient der Vorsatz, gut zu sein, dem Ausgleich von Selbstwertzweifeln. Als Guter fühlt er sich den Schlechten moralisch überlegen.

Gut zu sein heißt Teil zu sein. Gut zu sein heißt ein Teil zu sein, der zu dem Gegenüber passt, vom dem aus er als gut beurteilt wird.

Zur Gemeinschaft zu passen, in der man lebt, hat Vorteile. Es vermindert Konflikte und damit Angst. Dem Guten macht es die Gemeinschaft leichter, dem Unguten setzt sie Widerstand entgegegen. Als gut zu gelten, hat also nicht nur narzisstische, sondern auch soziale und damit handfeste Vorteile. Es erfüllt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Der Vorsatz, als gut zu gelten, hat damit auch eine egoistische Komponente.

Der gute Mensch passt zu dem, was er ist; auch dann, wenn er dem Umfeld als unpassend erscheint. Der gute Mensch sagt, was er denkt; auch dann, wenn es nicht zum Konsens des Umfeldes passt. Der Gutmensch versucht sich passend zu machen, weil ihm der Mut fehlt, unpassend zu sein. Er wird vom Bedürfnis nach Zugehörigkeit beherrscht.

J

Jeder und alle

Ich wollte nie so werden wie der oder die. Das ist ein Vorsatz, der vielen bekannt vorkommt. Tatsächlich ist jeder aber auch so ähnlich, wie alle anderen. Partout nichts mit dem gemein haben zu wollen, den man ablehnt, ist daher ein Ding der Unmöglichkeit. Es zu versuchen, führt dazu, dass man sich selbst nicht vollständig annehmen kann. Tun Sie sich das nicht an. Denken Sie an einen Menschen, den Sie missbilligen oder gar verachten. Machen Sie sich klar: Ich bin so ähnlich wie er.

K

Karma

Der Begriff Karma (Sanskrit: कर्म = Handlung) gibt oft Anlass zu Resignation und Verantwortungslosigkeit. Man sagt: Das ist eben Karma, und meint damit ein Schicksal, dem man ausgeliefert ist, weil man in einem früheren Leben Dinge tat, für die man heute büßen muss.

Ob das Individuum Rechnungen zu begleichen hat, die aus früheren Leben offen sind, ist ungeklärt. Tatsache ist jedoch, dass karmatische Verknüpfungen bereits in dem Leben wirken, mit dem wir derzeit beschäftigt sind. Bloße Schicksalsergebenheit ist fehl am Platz.

Der Begriff Karma verweist auf den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Was ich heute mache (persisch: kardan كردن = machen), ist die Ursache von Folgen, die in der Zukunft auf mich warten. Selbst wenn nicht alles von den eigenen Taten abhängt, stimmt der Satz. Handlung hat Folgen. Was man erlebt, hängt von dem ab, was man früher tat. Was man heute tut, stellt Weichen für die Zukunft.

Gutes Karma zu erzeugen, ist daher angebracht; egal unter welchen Folgen der Vergangenheit man leiden mag. Gutes Karma erzeugt man, indem man das Richtige tut. Alles andere macht keinen Sinn. Richtig ist, zu tun, was man für richtig hält. Um zu erkennen, was man für richtig hält, muss man ernsthaft danach fragen. Bloßen Gewohnheiten oder Impulsen zu folgen, reicht oft nicht aus.

Gehen Sie bei der Frage nach dem, was Sie für richtig halten, ins Detail. Bevor Sie etwas sagen oder tun, überprüfen Sie die Absicht, der Sie folgen. Halten Sie die Absicht tatsächlich für gut? Nur eine Absicht, die Sie für gut halten, wird Ihnen auch guttun.

Grundregeln zur Erzeugung guten Karmas

Sollten Folgen unser Taten bis ins Jenseits reichen, haben wir dort Gelegenheit, uns daran zu erfreuen.

Künste

Kleine Kunst schmeichelt dem Ego des Künstlers. Große Kunst stellt Wirklichkeit dar. Sehr große Kunst sprengt die Vorstellung, dass die Wirklichkeit dargestellt werden kann.

L

Leben

Ein Partikel lebt, wenn er eine Dynamik beinhaltet, die darauf abzielt, sich entgegen widriger Umstände selbst zu erhalten.

P

Politik und Religion

Machtausübung ist der Versuch, über andere zu bestimmen. Machtansprüche richten sich auf diesseitige Elemente aus; regelmäßig auf andere Personen oder ganze Völker. Machtansprüche sind grundsätzlich politisch. Tatsächliche Religion ist spirituell. Spiritualität befasst sich nicht mit diesseitigen Strukturen, sondern mit der jenseitigen Einheit, also dem, was der polaren Erscheinungswelt jenseits ihrer selbst zugrunde liegt. "Religion", die Macht ausübt, ist keine Religion. Sie ist pseudoreligiös maskierte Politik. Jeder, der sich schwach fühlt, will über andere bestimmen, solange er seine Schwäche nicht als Teil des eigenen Wesens akzeptiert.

Pseudoreligiös maskierte Politik markiert sich mit dem Gottesetikett. Sie behauptet, ihr Anspruch, über andere zu bestimmen, sei ein göttlicher Auftrag. Einen Beweis für ihre Behauptung legt sie niemals vor.

Die Behauptung, von irgendeinem Propheten verkündet und folglich einem Gott legitimiert worden zu sein, gilt üblicherweise als Berechtigung dafür, die jeweilige Wirklichkeitsdeutung des Glaubens und seinen Machtanspruch als "Religion" zu bezeichnen. Das kann nur ein Irrweg sein. Lässt man die Berechtigung gelten, muss man in der Folge jeden politischen Anspruch, deren Anhänger sich ohne Beweis auf Gott berufen als religiös anerkennen... und ihm das Privileg der Religionsfreiheit zusprechen.

Bestimmten Glaubensbekenntnisse das Privileg zuzuordnen, sich als religiös zu bezeichnen, anderen aber nicht, ist eine politische Konvention, die genau den Machtsstrukturen entspringt, die durch die Machtansprüche der Glaubensbekenntnisse mitbestimmt werden.

Wie legitimiert eine Konfession ihren Machtanspruch? Indem sie sagt: Dass mein Machtanspruch berechtigt ist, wird durch die Tatsache bewiesen, dass ich daran glaube, das er berechtigt ist. Die Rechtmäßigkeit einer Behauptung wird angeblich durch die Tatsache belegt, dass die Behauptung überhaupt erhoben wird.

Person und Wahrheit

Die Person ist ein biologisches Programm, das darauf ausgerichtet ist, egozentrisch zu sein. Daher entscheidet sich die Person gegen die Wahrheit, sobald sie glaubt, es sei zu ihrem Vorteil. Nur wer erkennt, dass es zu seinem Vorteil ist, seinen persönlichen Vorteil in den Hintergrund zu stellen, hat eine Chance, frei zu wählen und über den Horizont seiner persönlichen Interessen hinauszugehen.

Persönliches Wohlbefinden

Warum wird der Mensch nicht glücklich, wenn er sich ausschließlich um sein persönliches Glück sorgt? Weil die einzelne Person zu unwichtig ist, als dass sie in der Besorgung des Unwichtigen Erfüllung finden könnte. Nur wenn das Streben über die eigene Person hinausgeht, kann die Person mit der Wirklichkeit im Reinen sein.

R

Religion und Entscheidung

Jeder Mensch kann seinen eigenen Weg gehen. Das Eine hat die Vielfalt nicht geschaffen, damit der Mensch sie zu einer Marschkolonne reduziert. Das gilt für das ganze Leben. In religiösen Dingen gilt es erst recht. Jeder Fluss fließt durch sein eigenes Tal.

Es gehört zur Freiheit des Individuums, sich einer Marschkolonne anzuschließen; oder ihr treu zu bleiben, wenn es von anderen darin eingegliedert wurde. Ein Individuum, das seinem Wesen tatsächlich entsprechen will, tut jedoch gut daran, über jedes Denksystem hinauszugehen, das ihm vorschreiben will, welchen Weg es zu gehen hat.

Der Weg des Einzelnen zum Einen ist ein Wagnis. Bloß weil man sich einer Mythologie verschreibt, die eine Gruppe definiert, gelingt er nicht. Zur Wirklichkeit gelangt, wer die Wirklichkeit anerkennt, statt im Schutz eines Glaubens zu verbleiben, der sie durch eine Mythologie ersetzt. Da es immer genügend Menschen geben wird, die scheinbare Sicherheit wahrem Wagnis vorziehen, brauchen die Mythologien nicht zu fürchten, dass ihnen die Anhänger ausgehen. Die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgruppe vergibt soziale Sicherheit. Religiöse Sicherheit vergibt sie nicht.

Religion und Existenz

Der Wesenskern der Religion ist die Rückkehr in einen prä-existenten Zustand. Existenz ist das Hinausragen in ein polares Erfahrungsfeld. Dort begegnet der Existierende als egozentrierte Partei Elementen, die er dem Nicht-Ich zurechnet. Als Partei versucht er, auf diese Elemente im eigenen Interesse einzuwirken. Durch die absichtliche Einwirkung auf anderes wird das Ich in seine Abspaltung vom Ganzen fixiert. Religion versucht, die Abspaltung vom Ganzen aufzuheben. Wäre das Absolute Partei, wäre es nicht absolut.

S

Das Selbst

Es selbst ist immer nur das, was sich selbst genügt. Was es selbst ist, erhebt keinen Anspruch auf etwas, das außerhalb von ihm liegt. Was es selbst ist, hat keinen Bedarf bewundert oder angebetet zu werden. Es hat keinen Körper, weil der Körper etwas braucht.

Sein und Nicht-sein

Das Absolute liegt jenseits von Sein und Nicht-sein. Das Sein ist bereits Pol und Gegensatz zum Nicht-sein. Das Absolute geht dem voraus, was es sein kann. Sein und Nicht-Sein sind insofern dasselbe, als sie Erscheinungsformen des absoluten Selbst sind. Damit etwas sein kann, muss etwas abgezogen werden. Nichts kann sein, ohne dass etwas anderes nicht ist.

Betrachten wir eine Skulptur. Eine bestimmte Skulptur existiert nur, wenn all das vom Rohling entfernt wurde, was nicht da sein darf, damit die Skulptur in Erscheinung tritt. Gleiches gilt für farbiges Licht. Eine Farbe tritt nur in Erscheinung, wenn die komplementären Wellenlängen darin fehlen.

Dualismen

Das Absolute ist die Matrix aus der das Relative auftaucht. Relativ, nämlich bezogen auf sein Gegenteil, ist alles Duale. Primäre Dualismen sind z. B.:
Subjekt

Das persönliche Ich, also das relative Selbst, ist in ein dynamisches Erfahrungsfeld ausgesetzt, in dem sein Bestand ständig infrage gestellt wird. Daher kennt es Angst, Gier und Hass.

Das absolute Selbst kann sich nichts einverleiben, weil ihm bereits alles angehört. Da ihm alles angehört, wird es durch nichts bedroht. Da es durch nichts bedroht wird, wird es weder von Angst, Gier noch Hass bestimmt. Es erfährt solche Qualitäten nur soweit es sich mit einem relativen Subjekt identifiziert. Das persönliche Ich kann das Wesen des absoluten Selbst nur soweit erkennen, wie es die Identifikation mit sich selbst aufhebt und dadurch Angst, Hass und Begierde hinter sich lässt.

Da das persönliche Ich als solches ständiger Bedrohung ausgesetzt ist, hat es ein instinktives Misstrauen gegen alles, was es nicht ist. Solange es davon ausgeht, nicht absolutes Selbst zu sein, misstraut es auch diesem. Die dualistische Weltsicht, von der das persönliche Ich primär ausgeht, verhindert, dass es sich seinem wahren Selbst anvertraut. In der Meditation verhindert das Misstrauen die endgültige Vertiefung.

Sch

Schlaf
All'arme! heißt italienisch zu den Waffen!. Ist das Bewusstsein alarmiert, wird es zur Waffe, die der Welt zu widerstehen versucht.

Schlaflos zu sein heißt, alarmiert zu sein; es heißt, nicht vertrauen und loslassen zu können. Wer schläft, vertraut darauf, dass um ihn herum nichts vorgeht, was er zu fürchten hätte. Wach sein heißt, die Welt zu überwachen. Wer wach ist, statt zu schlafen, hält nach Gefahren Ausschau, die er im Auge behalten will. Zwei stehen im Vordergrund:

  1. einen Verlust zu erleiden.
  2. einen Gewinn zu verpassen.

Tiefschlaf ist ein zeitloser Zustand. Zeitlich gesehen folgt das, was beim Erwachen und Einschlafen geschieht im selben Moment. Widerstrebt man dem, was morgen zu erwarten ist, kann es sein, dass man nachts wachliegt, um sich durch eine Zeitspanne zum Unerwünschten auf Distanz zu bringen.

U

Überförderung
Durch übermäßige Förderung wird die Eigeninitiative gelähmt und die Autonomie der Betreuten geschwächt.

Der Begriff Überforderung ist längst etabiert. Kein Wunder: Über Jahrhunderttausende hinweg lebte die Menschheit fast durchgehend aus chronischen Defiziten und damit aus Schwierigkeiten heraus, die die Bewältigungsstrategien vieler ständig zu überfordern drohten. Immerhin machte die Not den Menschen erfinderisch.

Der Nachkriegsgeneration bot die Geschichte ein Zeitfenster ungewöhnlich günstiger Konstellationen, sodass die Überforderung durch Lebensumstände für ein paar Jahrzehnte in den Hintergrund trat. Das durchschnittliche Repertoire psychologischer Fahigkeiten reichte aus, um sich als selbständige Person gesellschaftlich zu integrieren und ein Leben in wachsendem Wohlstand zu führen.

Durch die zunehmende Komplexität der postmodernen Gesellschaft rückt die Überforderung für viele wieder in den Vordergrund. Sich in der Komplexität beruflich und sozial zu etablieren, wird schwieriger. Die Hürden, die ein junger Mensch zu überwinden hat, um aus den Abhängigkeiten der Kindheit in die Selbständigkeit des Erwachsenen zu wechseln, werden höher.

Um die scheiternde Integration einer wachsenden Bevölkerungsschicht zu verhindern, hat die Politik ein breit gefächertes Repertoire an sozialen Förderungs- und Unterstützungswerkzeugen geschaffen. Während das Bündel der Werkzeuge einerseits Übles verhindert, hat es andererseits Nebenwirkungen, die neue Übel schaffen.

Unterstützung stützt nicht nur. Sie verführt auch dazu, weniger auf die eigene Kraft zu vertrauen. Das führt zu dem, was die Psychiatrie als Hospitalismus kennt.

Problematische Gastfreundschaft
Ein Hospital ist eine Versorgungsstruktur für Hilfsbedürftige. Der Begriff geht auf lateinisch hopitalis = gastfreundlich bzw. hospes = Gastfreund zurück. Etymologisch mit Hospital sind Hotel und Hospiz verwandt.

Die Beziehungsstruktur der Gastfreundschaft ist asymmetrisch. Der Gast wird vom Gastgeber bewirtet. Der Gastgeber sorgt sich um das Wohl des Gastes, während sich der Gast passiv versorgen lässt.

Besonders in der Langzeitpsychiatrie kann beobachtet werden, dass die Selbstwirksamkeitskompetenz der Betreuten unter dem Einfluss übermässig unterstützender Bemühungen ihrer Betreuer atrophiert. Sie werden passiver, hilfloser und abhängiger. Dieser Rückschritt in die Hilfsbedürftigkeit nennt man Hospitalismus.

Heute gibt es ein breites Spektrum an sozialen Förderungs- und Unterstützungswerkzeugen im ambulanten Bereich. Die Vielzahl der Hilfsangebote könnte wohl nur noch durch eine Promotionsarbeit umfassend dargestellt werden. Neben der Überforderung gibt es daher eine Überförderung, die das Problem, das sie beheben soll, verstärkt.

Sollten Sie jemand sein, der auf Hilfsangebote angewiesen ist und ist es Ihr Ziel, sich davon zu befreien, dann nehmen Sie nur das an Hilfe an, was unbedingt nötig ist. Jede Bequemlichkeit, die man in Anspruch nimmt, hat ihren Preis.

Unangenehmes

Zu wissen, dass man noch etwas Unangenehmes zu tun hat, ist unangenehm. Zu wissen, dass man es hinter sich hat, ist angenehm. Falls man noch etwas Unangenehmes vor sich hat, sollte man davon täglich etwas tun. Solange man Unangenehmes nicht erledigt, wird es verzinst.

Unersättlichkeit

Man kann das Ego dafür schelten, dass es schier unersättlich ist und immer größer werden will. Vielleicht ist seine Unersättlichkeit aber nicht nur ein Beleg seiner Eitelkeit, sondern auch die Triebfeder dafür, dass es eines Tages über das Große hinweg und im Absoluten aufgehen will.

V

Verantwortung

Die Wahrscheinlichkeit, im Leben Erfolg zu haben, steigt mit der Bereitschaft, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dazu gehört zweierlei:

  1. die Bewältigung von Missständen, die man unverschuldet zu ertragen hat, als Aufträge des Lebens zu betrachten.
  2. einzusehen, dass die wesentliche Ursache vieler Missstände im eigenen Fehlverhalten liegt.
Explorativer Verzicht dient dazu, Abhängigkeiten aufzudecken.
Verzicht

Manchmal ist Verzicht an sich von Vorteil: wenn man auf einen Genuß verzichtet, der offensichtlich schadet. Oft nützt Verzicht aber auch, wenn ein Nachteil zunächst nicht erkennbar ist. Vieles, was man ständig in Anspruch nimmt, verdeckt, wie sehr man davon anhängt. Jenseits eines solchen Verzichts kann man finden, was mehr Freude macht als all das, worauf man verzichtet hat. Kluger Verzicht ist großer Gewinn. Wer klug verzichtet, muss es nur selten tun. Er kann sorglos genießen, was frei macht; weil Genuß an sich kein Schaden ist. Genuß wird erst zum Schaden, wenn er verhindert, dass man Größeres kennenlernt.

Vorsätze

Es ist erstaunlich, wie oft selbst die besten Vorsätze scheitern. Das liegt an einer Verkennung der Wirklichkeit. Vorsätze sind Versuche des Egos, die Macht zu übernehmen. Das Ego sagt durch seinen Vorsatz: Ich bestimme, was morgen sein wird. Es macht aber nur wenig Sinn, nach Macht zu greifen, solange man seine Ohnmacht übersieht. Was man übersieht, darüber kann man stolpern.

Vorurteile

Vorurteile haben einen schlechten Ruf: einerseits zu Recht. Andererseits wird übersehen, dass man ohne Vorurteile im Leben kaum zurechtkäme. Vorurteile sind Hypothesen, die die Orientierung im Leben erleichtern. Dass alles, was wie ein Apfel aussieht, auch ein Apfel ist und wie ein solcher schmeckt, ist ein Vorurteil. Es könnte auch eine Quitte sein oder eine Leckerei aus Marzipan. Trotzdem geht die spontane Einordnung apfelähnlicher Strukturen in die Kategorie der Äpfel in der Regel an der Wahrheit nicht ganz vorbei. Würde man vor jedem Apfelkauf im Supermarkt auf praktikable Vorurteile verzichten und das Obst erst dann in den Einkaufswagen legen nachdem man die Entscheidung durch eine wissenschaftliche Analyse seiner Erbsubstanz gegenüber jedem Zweifel abgesichert hat, könnte man bereits vor Bezahlung der Einkäufe verhungert sein.

Pianisten und Fußballprofis sind weder Äpfel noch Quitten. Trotzdem sind Vorurteile beiden Berufsgruppen gegenüber weit verbreitet. Die meisten Menschen haben Vorstellungen über Pianisten und Fußballer im Kopf, die sich spürbar unterscheiden und die bei der Begegnung mit einem Vertreter seiner jeweiligen Gruppe als Vorurteile wirksam werden. Oder glauben Sie etwa, dass ein Handelsvertreter beim Vertrieb von Notenblättern in gleicher Weise bei Pianisten und Fußballern vorspricht, um dem Vorwurf, er diskriminiere gesellschaftliche Gruppen, grundsätzlich aus dem Weg zu gehen? Was schließen wir daraus? Vorurteile sind im Sinne einer erfolgreichen Lebensführung sinnvoll anzuwenden.

Berechtigte Vorurteile bestehen aber nicht nur gegenüber Pianisten und Fußballern. Sie bestehen auch gegenüber Mitarbeitern beim Patentamt. Das Vorurteil, dass sich solche Leute eher mit gesetzlichen Vorschriften als mit entsetzlich schwer vorstellbaren Naturgesetzen befassen, kann im alltäglichen Umgang getrost angewendet werden. Allerdings wäre es ein unberechtigtes Vorurteil zu glauben, dass im Grundsatz berechtigte Vorurteile immer berechtigt wären. Der Patentamt-Sachbearbeiter Einstein hat nicht nur das bewiesen, sondern auch die Tatsache, dass wir auf der Suche nach der Wahrheit über das meiste hinausgehen müssen, was wir bisher für wahr gehalten haben.

Rassismus
Besonders problematisch sind Vorurteile über Völker; allerdings erst dann, wenn man sie zur Abwertung konkreter Menschen missbraucht. Irrtümlicherweise zu glauben, alle Japaner mögen Sushi, kann als lässliche Sünde wider den Verstand hingenommen werden, ohne dass zu befürchten wäre, dem entspringe die Gefahr, einen Japaner schuldhaft zu kränken oder die internationalen Beziehungen zwischen der EU und dem ostasiatischen Kulturraum zu zerrütten.

Dass sich Max Mustermann in vielen Situationen anders verhält als sein Pendant aus Italien, Finnland, Haiti oder den Arabischen Emiraten, ist ein Vorurteil mit berechtigter Realitätskomponente. Also kann auch etwas Wahres daran sein, was man über einen Haitianer denkt, von dem man nicht mehr weiß, als dass er Haitianer ist.

Gelänge es uns, menschliche Verhaltensweisen durchgehend zu begrüßen, läge darin keine Gefahr. Allein: Es gelingt uns nicht; selbst, wenn wir anderen Völkern gegenüber politisch korrekt so tun, als gelänge es uns doch.

Mittel zur Verhütung rassistischer Entgleisungen alltagspraktischer Vorurteile können folgende Fragen sein:

W

Wer oder was

Wer ich bin, ist klar, aber nicht wesentlich. Als Wer bin ich die Person, die mit diesem Körper bestückt auf der Bühne des Lebens zugange ist. Was mehr zählt ist, was ich bin. Was ich bin, liegt jenseits von dem, der ich bin. Der Der ist ein Fall von vielen. Das Was liegt allem zugrunde.

Z

Zahlen und Ebenen

Die Welt ist die duale Ebene der Wirklichkeit. Sie ist nachgeordnet, weil die Zwei nach der Eins kommt. Die Zwei kommt aber nur auf der dualen Ebene nach der Eins. Auf der non-dualen ist sie in der Eins enthalten.

Zivilisatorisches Defizit

Abweichende Meinungen anderer werden oft als bedrohlich empfunden. In der Tat: Wenn jemand die Dinge anders sieht als ich, könnte er aus dieser Sichtweise heraus etwas tun, was nicht in meinem Interesse ist. Was liegt also näher, als die Meinung des anderen anzugreifen um sie nach Gutdünken der eigenen anzupassen? Das ist übergriffig und führt meist zu einer Eskalation der Konflikte. Statt sich ungebetenerweise an der Meinung des anderen zu vergreifen, ist es besser, sie als dessen Eigentum zu betrachten und ihr den Respekt entgegenzubringen, der persönlichem Eigentum in zivilisierten Gesellschaften üblicherweise gezollt wird.

Das Eigentum des anderen hat die Aufgabe, dem anderen zu dienen. Sobald ich verlange, dass die Meinung des anderen nicht seinen, sondern meinen Zwecken dient, verhalte ich mich wie ein Räuber, der dem anderen seinen Mantel stehlen will.

Zivilisation

Wie kann man den Begriff Zivilisation definieren? Bei einer Zivilisation handelt es sich um das soziale Gefüge einer großen Zahl von Individuen, die durch ihre spezifischen Interaktionen eine jeweils spezifische Kultur hervorbringen. Soziale Gefüge mit spezifischen Interaktionsmustern sind aber auch Wolfsrudel, Affenhorden, Termitenhügel und Wespennester. Trotzdem zögern wir, solche Sozialstrukturen bereits als Zivilisationen zu betrachten. Mit gutem Grund: Was den genannten Sozialstrukturen des Tierreichs nämlich fehlt, ist der Respekt vor dem Individuum. Im Umkehrschluss heißt das: Je weniger Respekt eine Kultur dem Individuum entgegenbringt und je mehr Druck sie auf es ausübt, sich an austauschbare gesellschaftliche Normen anzupassen, desto unzivilisierter ist sie.