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Seele und Gesundheit |
Bekanntermaßen streben Systeme gemäß dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik spontan und unumkehrbar der größtmöglichen ⇗Entropie entgegen. Entropie misst den Grad der Unstrukturiertheit. Je komplexer die Struktur eines Systems, desto niedriger ist ihre Entropie. Entropie kann nicht vernichtet, sondern nur umverteilt werden. Das heißt: Um die Entropie an einer Stelle zu senken, muss sie an einer anderen Stelle erhöht werden. Um die Komplexität einer Struktur zu steigern, bedarf es folglich eines Energieaufwandes, der andere Strukturen in Unordnung bringt.
Je strukturierter ein System ist, desto mehr Energie braucht man nicht nur für ihren Aufbau, sondern auch für ihre Aufrechterhaltung. Gesellschaften sind solche Systeme. Die Komplexität der gegenwärtigen Gesellschaft wächst durch Diversifizierung, technologischen Fortschritt und Regelungsaktivität. Je komplexer sie wird, desto mühsamer wird es, sie aufrechtzuerhalten. Besonders Berufstätige bekommen das zu spüren. Der Leistungsdruck, dem sie ausgesetzt sind, wird immer größer.
Oben hieß es: Um die Komplexität einer Struktur zu steigern, bedarf es eines Energieaufwandes, der andere Strukturen in Unordnung bringt. Der Zuwachs an Komplexität unserer Gesellschaftsstruktur geht mit einem Ordnungsverlust an anderen Stellen einher. Zu den anderen Stellen gehören:
Zugleich wächst die Anfälligkeit des Systems. Mit der Komplexität wächst die Gefahr, dass das System kollabiert, weil seine Aufrechterhaltung eines so großen Energieaufwandes bedarf, dass im Falle unvorhergesehener Belastungen keine Reserven mehr da sind, um Schwankungen auszugleichen.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Politik wäre es daher, das ihre zu tun, um die Komplexität der Gesellschaft zu begrenzen, z. B. durch einfache Regeln und Verwaltungsstrukturen. Denn: Je komplexer eine Gesellschaft ist, desto mehr muss sie zerstören um sich selbst zu erhalten.
Tatsächlich ist das Gegenteil zu beobachten. Das ist kein Zufall. Die Begriffe komplex und Komplize sind eng miteinander verwandt. Beide entspringen den lateinischen Wörtern com = zusammen und plectere = flechten. In der repräsentativen Demokratie ist die Gefahr groß, dass bei Koalitionsverhandlungen Sachfragen der Gemeinschaft und persönliche Interessen der politischen Akteure dergestalt miteinander verflochten werden, dass die Komplexität durch komplizierte Kompromisse weiter steigt.