Tranquilizer / Beruhigungsmittel / Anxiolytika


  1. Zuordnungen
  2. Benzodiazepine
  3. Andere Substanzen
  4. Weitere Informationen
Beachten Sie die Allgemeinen Hinweise über Psychopharmaka.

Entscheiden Sie über Psychopharmaka ausschließlich in Rücksprache mit Ihrem Arzt.

Alle Angaben ohne Gewähr.

1. Zuordnungen

Beruhigungsmittel werden auch Tranquilizer (lateinisch tranquilitas = Ruhe) oder Anxio­lytika (lateinisch anxietas = Angst und griechisch lysis [λυσις] = Auflösung) genannt. Sie bilden eine uneinheitliche Gruppe von Medikamenten. Zu den Tranquilizern zählen:

Da auch andere Pharmaka angstlösende und beruhigende Wirkungen haben, werden auch sie als Beruhigungsmittel eingesetzt, obwohl man sie nicht zu den Tranquilizern rechnet. Zu nennen sind:

Im medizinischen Alltag hat es sich eingebürgert, den Begriff Tranquilizer weitgehend mit der Substanzgruppe der Benzo­diazepine gleichzusetzen.

2. Benzodiazepine

Alle Benzodiazepine sind Abwandlungen der Muttersubstanz Chlordiazepoxid, die ursprünglich als Lösung aller Angstpro­bleme gefeiert wurde. Bald stellte sich heraus, dass Chlordia­zepoxid ebenso schnell süchtig macht wie seine Abwandlungen. Seitdem ist man mit dem Einsatz der Benzodiazepine zurück­haltend geworden.

Wirkungen und Einsatzgebiete der Benzodiazepine

Wirkung Einsatz­gebiet
angst­lösend Genera­lisierte Angst­störung, Soziale Phobie, Panik­attacken, Flugangst, Ängste bei Psychosen und Depres­sionen
schlaf­fördernd Schlafs­törungen
krampflösend Epilepsie
muskelentspannend Muskelverspannungen

2.1. Wirkweisen und Anwendungsgebiete

Benzodiazepine docken im Gehirn an sogenannten GABA-Rezeptoren an. Die Reizung dieser Rezeptoren führt zu einer verminderten Erregbarkeit vieler Hirnareale. Dadurch kommt es zur Beruhigung. Da GABA-Rezeptoren in die Steuerung verschiedener Hirnfunktionen eingreifen, haben Benzodiazepine ein breites Wirkungsspektrum. Sie wirken...

  1. anxiolytisch
  2. sedierend, schlaffördernd
  3. muskelentspannend
  4. antiepileptisch

Aus den verschiedenen Wirkungen ergeben sich die medizinischen Einsatzgebiete.

Benzodiazepine unterscheiden sich in der Dauer ihrer Wirkung. Wie lange eine Substanz wirkt, hängt von folgenden Faktoren ab:

Einteilung der Benzodiazepine nach Wirkdauer

Substanz Halbwertzeit (Stunden) Halbwertzeit aktiver Metabolite
(Name und Stunden)
Wirkdauer: kurz
Brotizolam 4-7 Hydroxy­brotizolam: 4-7
Midazolam 1-3 -
Triazolam 2-3 Hydroxy­triazolam: 4-6
Wirkdauer: mittel
Lorazepam 10-18 -
Lormeta­zepam 6-16 -
Oxazepam 4-15 -
Wirkdauer: lang
Bromazepam 15-25 -
Chlor­diazepoxid 10-25 Demoxepam: 40-50
Nordazepam: 30-200
Clobazam 10-60 Desmethyl­clobazam: 50-100
Clonazepam 30-50 -
Diazepam 20-40 Nordazepam: 30-200
Oxazepam: 4-15
Dikalium­clorazepat 1-2 Nordazepam: 30-200
Flurazepam 1-2 Desalkyl­flurazepam: 40-250
Fluni­trazepam 10-25 Des­methyl­fluni­trazepam: 20-30
Prazepam 1-2 Nordazepam: 30-200
Oxazepam: 4-16

Als Halbwertzeit bezeichnet man die Zeit, die der Körper braucht, um 50% einer Substanz auszuscheiden oder in ein wirkungsloses Stoffwechselprodukt (= Metabolit) abzubauen.

Metabolite sind die Abbauprodukte des körpereigenen Stoffwechsels. Aktiv nennt man einen Metaboliten, wenn er eine eigene Wirkung hat. Die aktiven Metaboliten der Benzodiazepine stimulieren wie ihre Muttersubstanzen den GABA-Rezeptor. Die Wirkdauer lang wirksamer Benzodiazepine wird mehr durch die Metaboliten als durch die Muttersubstanz bestimmt.

2.2. Nebenwirkungen

Abgesehen von der Gefahr von Abhängigkeitsentwicklungen sind Benzodiazepine meist gut verträglich. Aber auch sie können zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Dazu gehören unter anderem:

2.2.1. Abhängigkeit / Sucht

Nach langdauernder Einnahme von Benzodiazepinen entwickelt sich meist ein Abhäng­igkeitssyndrom. Dann ist bei plötzlichem Absetzen mit Entzugserscheinungen zu rechnen. Das ist ein großes Problem. Es führt dazu, dass man die Anwendungsdauer der Benzodiazepine in der Regel beschränken sollte.

Warnsignale einer Suchtentwicklung

Wirkverlust Die bisherige Dosis wirkt immer weniger.
Mengensteigerung Wegen des Wirkverlusts ist man versucht, die Dosis zu steigern.
Kontrollverlust Man nimmt mehr ein, als man eigentlich geplant hatte. Man nimmt früher ein, als verordnet.
Gedankliche Einengung Man beschäftig sich zunehmend mit der Frage, ob man noch genug Substanz zur Verfügung hat. Andere Themen treten in den Hintergrund.
Gleichgültigkeit Man konsumiert, obwohl man schädliche Nebenwirkungen feststellt.
Entzugserscheinungen Sinkt der Blutspiegel, kommt es zu Entzugserscheinungen.
Verdrängung warnender Botschaften Ihr Arzt meldet bei neuen Rezeptwünschen Bedenken an. Sie müssen ihn erst überreden. Sie wechseln den Arzt, um den Widerstand zu umgehen.

Ist eine Abhängigkeit entstanden, kommt es bei Dosisreduktion oder Wegfall der Medikation zu Entzugserscheinungen. Diese können in zwei Gruppen eingeteilt werden:

  1. Symptome, die vor der Substanzeinnahme bereits vorhanden waren und nun erneut oder verstärkt auftreten

  2. neue Symptome, die als schwere und gefährliche Entzugserscheinungen aufzufassen sind

Entzugserscheinungen bei Benzodiazepin-Sucht

Bekannte Symptome Neue Symptome
  • Angst
  • Schlafstörungen
  • Reizbarkeit
  • innere Unruhe
  • Anspannung
  • epileptische Anfälle
  • veränderte Sinneswahrnehmungen
  • delirante Psychosen
  • Verwirrtheitszustände
  • Realitätsverkennungen
  • Depersonalisation
    Entfremdungsgefühl gegenüber der eigenen Person
  • Derealisation
    Entfremdungsgefühl gegenüber Umwelt
  • Muskelzuckungen (Faszikulation)

2.3. Anwendungsbeschränkungen

Obwohl Benzodiazepine meist gut verträglich sind, sollten sie bei bestimmten Vorerkrankungen ganz gemieden werden. Dazu gehören insbesondere:

2.4. Wechselwirkungen

Benzodiazepine führen zu Wechselwirkungen, wenn man sie gleichzeitig mit anderen Medikamenten einnimmt. Daraus ergeben sich weitere Einschränkungen ihrer Anwend­barkeit.

3. Andere Substanzen

Neben den Benzodiazepinen gibt es eine uneinheitliche Gruppe weiterer Substanzen mit angstlösenden und entspannenden Wirkungen. Zu nennen sind Buspiron, Opipramol und Hydroxyzin. Die Wirkungen dieser Substanzen ist weniger zuverlässig als die der Benzodiazepine. Ihr Vorteil liegt in der fehlenden Suchtgefahr. Bei unspezifischen Angst- und Spannungszuständen ist ein Behandlungsversuch sinnvoll.

Während die drei genannten Substanzen synthetisch sind, sind ausgeprägt angst­lösende Wirkungen auch von pflanzlichen Wirkstoffen bekannt. Hervorzuheben ist Lavendelöl, für das in Untersuchungen eine vergleichbare Wirksamkeit wie für Lora­zepam nachgewiesen werden konnte.

4. Weitere Informationen

⇗Beipackzettel: Diazepam
⇗Beipackzettel: Buspiron
⇗Beipackzettel: Opipramol (PDF)
⇗Beipackzettel: Hydroxyzin