Posttraumatische Belastungsstörung


  1. Auslöser
  2. Symptome
  3. Persönlichkeitsfaktoren und innerseelische Prozesse
  4. Übergänge
  5. Therapie
Trauma ist Risiko und Chance zugleich. Wer die Chance nutzt, kann lernen, das Wesentliche besser zu erkennen.

Synonym: Traumatische Neurose

Schwere Traumata führen dem Betroffenen plötzlich vor Augen, dass Sicherheit illusorisch ist oder sie untergraben sein Grundver­trauen in die menschliche Gemeinschaft. Traumata reißen Betroffene aus einem Weltbild heraus, das sie für selbstverständlich hielten. Sie sind überwunden, wenn ein neues Konzept entsteht, mit dem man leben kann.

1. Auslöser

Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wird durch traumatische Belastungen ausgelöst. Einerseits sind elementare Erschütterungen zu nennen, die Leib und Leben des Betroffenen objektiv gefährden. Andererseits kann die Symptomatik durch Erschütterungen des Selbst- und Weltbilds verursacht werden, die die soziale Einbindung des Betroffenen und damit seine soziale Existenz infrage stellen.

Realität und Definition

Die offiziellen Diagnosekriterien der PTBS sind eng. Die ICD-10 macht als Auslöser ein Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophen­artigem Ausmaß zur Bedingung, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.

Diese Definition ist fragwürdig. Sie übersieht die große Individualität seelischer Reaktionsweisen. Seelische Reaktionen folgen nicht nur faktischen Ereignissen der Außenwelt auf die fast jeder gleich reagiert. Sonst hätte kein Mensch je Angst vor einer Spinne oder könnte in Verzweiflung geraten, weil sein Partner fremdgegangen ist.

Tatsächlich ist es so, dass die Symptomatik der PTBS nicht nur durch elementare Ereignisse ausgelöst werden kann, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen, sondern auch dann, wenn ein relativ alltägliches Ereignis auf eine besondere persönliche Reaktionsbereitschaft trifft.

In der therapeutischen Praxis ist daher die tatsächliche Reaktion des Individuums zu beachten und nicht die Frage, ob die Theorie es der Symptomatik zugesteht, einem konkreten Ereignis zu folgen.

Als mögliche Auslöser der PTBS sind zu nennen:

Ein Ereignis - vier Reaktionen

Der Partner ging fremd. Für den Betrogenen kann das Verschiedenes bedeuten:

  • ein Ärgernis, auf das er wütend reagiert
  • eine Enttäuschung, die ihn zu kühler Distanz bewegt
  • ein willkommener Anlass gleichzuziehen... oder den Partner schuldfrei zu verlassen
  • eine biographische Katastrophe, die alles über den Haufen wirft

Die Frage, ob eine Demütigung eine PTBS auslöst, hängt von individuellen Bereitschaf­ten ab. Der eine mag eine Demütigung wegstecken, als sei sie nur ein lästiges Unwetter, einen anderen führt die gleiche Demütigung in eine existenzielle Krise, bei der durch Suizidalität Lebensgefahr besteht oder der Gedemütigte sich dazu gedrängt fühlt, die Schande durch eine Mordtat zu tilgen. Dann liegt tatsächlich eine außergewöhnliche Bedrohung von potenziell katastrophalem Ausmaß vor.

Die Häufigkeit der PTBS hängt von der Art des Traumas ab. Angaben zur Häufigkeit sind in der Literatur breit gestreut; was gewiss daran liegt, dass sowohl die Definition der Intensität eines Traumas als auch die Bewertung psychischer Symptome vom Untersucher abhängen. Man findet die PTBS in...

Generell gilt: Die Wahrscheinlichkeit einer PTBS ist größer, wenn die Bedrohung oder Schädigung durch andere Personen verursacht wurde. Sie ist geringer, wenn der Schaden durch Zufall oder Naturkräfte entstand.

2. Symptome

Die Symptome der PTBS treten entweder kurz nach dem Trauma oder mit einer Latenz von Wochen bis Monaten auf. Unter Umständen können zwischen dem Trauma und der Symptomatik Jahre vergehen. Symptome, die innerhalb der ersten Tage nach dem Trauma auftreten, werden als Akute Belastungsreaktion bezeichnet. Die PTBS geht nahtlos aus der Akuten Belastungsreaktion hervor oder sie folgt nach einer symptomfreien Periode. Sie kann aber auch ohne vorherige Belastungsreaktion auftreten.

Symptome der PTBS

3. Persönlichkeitsfaktoren und innerseelische Prozesse

Grundsätzlich wird die PTBS durch den traumatisierenden Faktor ausgelöst, der die Psyche des Betroffenen von außen erreicht und zu einer nachhaltigen Erschütterung seines Welt- und Selbstbilds führt. Es ist jedoch bekannt, dass keineswegs alle Opfer erschütternder Erfahrungen eine PTBS entwickeln. Offensichtlich gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die das Auftreten der PTBS begünstigen, indem sie problemträchtige Interaktionsmuster mit dem Umfeld bahnen, die die Verarbeitung von Traumata erschweren.

Interaktionsmuster
  • histrionisch: Ich brauche die Bewunderung anderer, um mit mir im Reinen zu sein.
  • narzisstisch: Im Vergleich zu anderen muss ich besser sein.
  • paranoid: Alles um mich herum bezieht sich auf mich.
  • zwanghaft: Wenn die Welt um mich herum keine festgelegte Ordnung hat, kann ich nicht ruhen.
  • abhängig: Andere müssen mir sagen, was richtig ist.
  • schizoid: Gegen andere muss ich mich abschirmen.
  • ängstlich-vermeidend: Die Welt ist voller Gefahren, denen ich nicht standhalten kann.
  • emotional-instabil: Ich brauche das absolut Gute.

Das Kernproblem bei der Posttraumatischen Belastungsstörung liegt im Versuch...

Unterschied
zwischen Verdrängung und Dissoziation

Vom Verstand her wissen wir, dass unser Platz in der Welt bedroht ist. Wir wissen, dass wir zerbrechliche Wesen sind, deren Wohlergehen größtenteils in den Händen eines übermächtigen Schicksals liegt. Um die Angst vor Tod und Verderben, vor Ohnmacht und Ausgeliefertsein zu entkräften, leben wir jedoch so, als könne uns - zumindest vorerst - eigentlich nichts passieren. Um uns in Sicherheit zu wiegen, glauben wir, dass uns als Person so viel Bedeutung zukommt, dass es das Schicksal dann doch nicht wagen wird, diese Person fundamental zu missachten. Das Trauma führt uns den Irrtum mit aller Macht vor Augen.

Das Schicksal der Erfahrung

Eine Erfahrung kann...

Wird das Selbstbild infrage gestellt, gibt es drei Möglichkeiten: Die Infragestellung...

Kann eine Erfahrung, die das Selbstbild infrage stellt, weder integriert, noch verdrängt oder abgespalten werden, droht eine PTBS.

Der Glaube an unsere vermeintliche Wichtigkeit führt meist dazu, dass wir im Leben überwiegend mit den Vor- und Nachteilen für unsere eigene Person beschäftigt sind. Wir sind eifrige Vollstrecker egozentrischer Motive. Das Trauma stellt den Sinn dieses Eifers in Frage. Wenn die Bedeutungslosigkeit unserer Person offensichtlich wird, können wir eigentlich nicht weitermachen wie bisher. Das Trauma wirft uns aus der Kreisbahn um den kleinen Mittelpunkt. Der eine hat den Mut zur Weiterreise, der andere versucht, das Erlebte auszublenden; ohne dass es ihm wirklich gelingt.

Die Symptomatik spiegelt den Kampf zwischen Ausblendung und heilsamer Wahrheit wieder. Da werden alle Situationen gemieden, die an das Trauma erinnern. Da wird die Erinnerung zum Teil aus dem Gedächtnis gestrichen. Entgegen aller Bemühung schießen die erschreckenden Bilder dann aber ins Bewusstsein ein und tauchen in den Träumen wieder auf. Der Kampf erzeugt Nervosität, Anspannung und eine Hypervigilanz, also eine übermäßige Wachsamkeit, die der Angst vor der Vertreibung aus der gewohnten Kreisbahn entspricht.

3.1. Vulnerabilität

Nicht jeder erleidet nach einem Trauma eine Belastungsstörung. Daraus folgt: Menschen sind unterschiedlich vulnerabel (lateinisch: vulnerare = verwunden). Wichtige Faktoren, die die Verwundbarkeit durch seelische Erschütterungen erhöhen, können akzentuierten Persönlichkeits­mustern zugeordnet werden, die die Bewältigungsmöglichkeiten der traumatisierten Person einschränken:

Zur Rolle der Bezugspersonen

Der Mensch lebt im sozialen Kontext. Daher wird nicht nur die Vulnerabilität des Betroffenen durch dessen Persönlichkeitsproblematiken erhöht, sondern der weitere Verlauf - Heilung oder Chronifizierung - hängt auch von den Persönlichkeiten wichtiger Bezugspersonen ab. Lebt der Traumatisierte in einem solidarischen Umfeld, kann er das Trauma leichter überwinden. Ist er von problema­tischen Bezugspersonen umgeben, fällt es ihm schwerer.

Wer versteht, dass er kein Teil der Welt ist, kann den Teil der Welt, der er zu sein scheint, so klein belassen, wie er ist.
3.2. Resilienz

Das Gegenteil von Vulnerabilität ist Resilienz (lateinisch: resilire = abprallen, zurückspringen, sich zusammenziehen, schrumpfen, verkleinern). So wie die Faktoren psychischer Vulnerabilität die Gefahr traumatischer Folgestörungen erhöhen, so wird sie durch sogenannte Resilienzfaktoren vermindert. Wichtige Resilienzfaktoren sind:

Schrumpfung und Abprall
Der Begriff Resilienz verweist auf zwei Faktoren, die das tieferliegende Grundprinzip der seelischen Widerstandskraft gegen traumatische Infragestellungen verstehbar machen: Schrumpfung und Abprall. Schrumpfung ist der gegenläufige Prozess zu Aufblähung und Einbeziehung. Schädigende Einflüsse prallen an Strukturen ab, deren Bestand autonom auf innerem Zusammenhalt beruht.

Gerät ein Wirtschaftsunternehmen ins Trudeln wird eine Gesundschrumpfung durchgeführt. Die Firma trennt sich von peripheren Geschäftsfeldern und konzentriert sich auf das Kerngeschäft. Durch die Straffung ihrer Außengrenzen wird die Firma resilient.

Jedes Trauma ist Verlust. Je mehr äußere Bedingungen das Selbstbild einbezieht, um das Selbstwertgefühl aufrecht­zuerhalten, je weiter es sich also über den inneren Wesenskern des Individuums hinaus ins Umfeld aufbläht, desto verletzbarer ist die Person, wenn solche Bedingungen durch Traumata verlorengehen. Je mehr das Selbstwertgefühl von verlierbaren Faktoren abhängt, desto vulnerabler ist die Person. Je mehr es in nicht verlierbaren Funktionen verankert ist, desto widerstandsfähiger ist sie.

Der gemeinsame Nenner aller Resilienzfaktoren ist die Definition des Selbstbilds auf Basis autonomer Fähigkeiten, die Abhängigkeit vermindern und Selbstbestimmung sichern. Beruht das Selbstbild auf autonomen Vermögen des Selbst, bildet es eine feste Struktur, an der das Trauma abprallt.

Schrumpfung und Weite

Die Macht des Traumas trifft das Sicherheitsgefühl des Individuums. Wie ein Blitzlicht, das einen Drachen zeigt, der im Dunkeln lauert, führt sie ihm Ohnmacht, Zerbrechlichkeit und Ausgeliefertsein vor Augen. Nicht dass das Individuum vom Drachen gar nichts wusste, dass er jedoch tatsächlich da ist, hatte es verdrängt. Helfer beim Verdrängen waren Krücken und Illusionen aller Art, die die Bedeutung der Person scheinbar über ihr tatsächliches Maß erhöhten: Wohlstand, Erfolg, Anerkennung, Wissen, Beliebtheit, Rang, ein begeh­renswerter Partner. Das aufgeblähte Selbstbild, das scheinbare Sicherheit verlieh, erweist sich im Blitzlicht des Traumas als Illusion.

Die Begegnung mit dem Tod führt im guten Fall zur Besinnung auf das Wesentliche. Wesentlich sind genau die Faktoren, die das Individuum gegenüber Traumen resilient, also widerstandsfähig, machen.

Wer die Beschränktheit der Person erkennt, statt sie durch Aufblähung zu bekämpfen, kann sein Selbst in einer Weite orten, wo kein Trauma es treffen kann.
3.3. Höhere Mächte und persönliche Täter

Ob sich eine PTBS entwickelt, hängt auch davon ab, ob das bedrohliche Ereignis durch andere Personen oder höhere Mächte verursacht wird. Ist die Ursache ein menschlicher Täter, kommt die PTBS häufiger vor. Das hat psychologische Gründe.

Höheren Mächten - Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Asteroideneinschlägen, Pestepi­demien, Lawinenabgang - gestehen wir die Blindheit zu, rücksichtslos gegenüber Leib und Leben irdischer Kreaturen zu sein. Von Menschen erwarten wir anderes: den Respekt und die Solidarität derer, die wie wir blinden Mächten ausgeliefert sind. Wir erwarten nicht Feindselig- oder Achtlosigkeit, sondern den Beistand von Schicksalsgenossen. Erleben wir das Gegenteil der erhofften Solidarität, untergräbt dies das Urvertrauen in die menschliche Gemeinschaft. Deshalb ist es seelisch leichter zu verkraften, durch einen umstürzenden Baum verkrüppelt zu werden als durch einen betrunkenen Schläger oder einen Folterknecht.

4. Übergänge

Die Vielfalt individueller Varianten seelischer Abläufe ist unermesslich; ebenso die Vielfalt situativer Umstände, mit denen eine Person konfrontiert werden kann. Die Posttraumatische Störung geht daher fließend in andere Kategorien über, die von der WHO als Krankheiten abgegrenzt werden.

Reaktionen auf schwere Belastungen
gemäß ICD-10-Klassifikation der WHO

Name ICD Zeitlicher Verlauf
Akute Belastungs­reaktion F43.0 Unmittelbar nach dem Ereignis. Maximal einige Tage andauernd.
Posttrauma­tische Belastungs­störung F43.1 Meist mit Latenz von einigen Wochen. Kann Monate lang andauern.
Anpassungs­störung F43.2 Hängt stark von den Umständen ab, die zur Störung führen.
Andauernde Persönlichkeitsveränderung F62 Langzeit­folge unverarbeiteter Erschütterungen

Zwischen den Kategorien gibt es alle erdenklichen Vermischungen und Übergänge. Ein weiterer Übergang ist der zur Anhaltenden Trauerstörung. Darüber hinaus können sensitive Persönlichkeiten nach einer ehrverletzenden Erfahrung einen sensitiven Beziehungswahn (Kretschmer 1918) entwickeln.

4.1. Subsyndromale Verläufe

Der Begriff subsyndromal benennt abgeschwächte Verläufe der Posttraumatischen Belastungsstörung. Je nach Ausmaß des Traumas wird das Selbstbild des Betroffenen unterschiedlich stark erschüttert. Dazu kommt, dass die individuelle Bereitschaft, Erschütterungen des Selbst- und Weltbilds zu akzeptieren, ebenfalls unterschiedlich ist.

Subsyndromale Verläufe können durch die gleiche Palette an erschütternden Ereignissen ausgelöst werden wie das Vollbild der PTBS. Dazu kommen aber auch weniger dramatische Bedrohungen für Leib und Leben (Unfälle und Krankheiten aller Art) und vor allem seelische "Verletzungen", die im Rahmen zwischenmenschlicher Konflikte auftreten.

Abgeschwächte Formen der PTBS kennt daher praktisch jeder. Sie plagen uns nach Kränkungen, durch die wir uns entwertet fühlen oder nachdem unser Selbstbild durch eigene Schuld hässliche Kratzer bekam. Wir sind dann nervös, reizbar und unzufrieden. Die Erinnerung an das Trauma kriecht nachts über die Bettdecke. In Gedanken kauen wir alles immer wieder durch. Solange wir mit dem Verkraften des Ereignisses beschäftigt sind, haben wir an anderem nur wenig Interesse.

4.2. Akute Belastungsreaktion

Die akute Belastungsreaktion folgt dem äußeren Ereignis in der Regel unmittelbar. Sie klingt nach Stunden bis Tagen wieder ab. Typischerweise findet man Symptome, die alltagssprachlich als Schock oder Nervenzusammenbruch bezeichnet werden:

Eine Amnesie ist eine Erinnerungslücke. Ist sie retrograd, fehlt die Erinnerung an das, was vor dem erschütternden Ereignis passierte. Ist sie anterograd, fehlt die Erinnerung an die Zeit unmittelbar nach dem Ereignis.

4.3. Anpassungsstörung

Während akute Belastungsreaktionen und die PTBS ausschließlich durch punktuelle Ereignisse ausgelöst werden, folgen Anpassungsstörungen sowohl belastenden Einzelereignissen als auch dauerhaften Veränderungen der Lebensumstände, an die sich der Betroffene nur zögerlich oder gar nicht anpassen kann.

Auslöser von Anpassungsstörungen

Zu den typischen Symptomen von Anpassungsstörungen gehören...

Vor allem bei Jugendlichen kann es außerdem zu deutlichen Störungen des Sozialverhaltens, bis hin zu Straffälligkeit und Abgleiten ins Drogenmilieu, kommen.

Im Einzelnen mag die Unterscheidung zwischen PTBS, Belastungsreaktion und Anpassungsstörung ungerecht sein, aber wo kämen wir hin, wenn man sie nicht träfe?
Diagnostische Kategorien - Schuld, Verantwortung und Entschädigung
Allenthalben wird betont, dass die PTBS nur diagnostiziert werden sollte, wenn der Auslöser quasi jeden aus der Bahn geworfen hätte. Das hat auch sozialrechtliche Gründe.

Folgt eine krankhafte Störung einem äußeren Ereignis, stellt sich die Frage der Entschädigung. Wer krank wird, weil ihn von außen etwas traf, der ist ein Opfer... und wo ein Opfer ist, da ist ein Täter, dem das Leid des Opfers zur Last gelegt werden kann.

Da der Mensch dazu neigt, die Verantwortung für eigenes Leid einseitig anderen zuzuschreiben, sucht auch die Psychiatrie eine Friedensgrenze. Nur wenn die Wucht des Ereignisses so groß war, dass es quasi jeden hätte krank machen können, gestattet sie dem Symptomträger, die Rolle eines eindeutigen Opfers für sich in Anspruch zu nehmen.

Liegt die Wucht der äußeren Umstände und Ereignisse unterhalb der definierten Schwelle, wählt die Psychiatrie andere Begriffe. Man hat...

4.4. Andauernde Persönlichkeitsänderung

Die Posttraumatische Belastungsstörung heilt entweder aus oder sie geht in eine dauerhafte Veränderung der Persönlichkeit über. Zu den Symptomen der Persönlich­keitsänderung nach Extrembelastung gehören:

Bedeutung des Vertrauens

Auch das Symptomspektrum der Andauernden Persönlichkeitsänderung erklärt, warum die Häufigkeit der PTBS bei Unfällen und Naturkatastrophen niedriger liegt, als nach Traumata, die absichtlich durch andere Menschen verursacht wurden. Ist der Verursacher ein Mensch, stellt das Trauma über die Erschütterung des Selbstbilds hinaus das Urvertrauen in die Solidarität der menschlichen Gemeinschaft in Frage. Das führt gehäuft zu Bindungsstörungen mit sozialem Rückzug, was seinerseits einen Verlust des zwischen­menschlichen Erlebnisraums bedingt.

5. Therapie

Die Behandlung der PTBS steht wie die der übrigen reaktiven Störungen auf zwei Beinen.

  1. Die Pharmakotherapie ist symptomatisch. Sie hilft, unerträgliche Symptome zu mildern, bis der seelische Verarbeitungsprozess sein Ziel spontan oder durch therapeutische Hilfe erreicht.
  2. Die Psychotherapie ist kausal heilend. Sie strebt die seelische Bewältigung der erlebten Erschütterung an.
5.1. Pharmakotherapie

Als eindeutig wirksam haben sich vor allem Antidepressiva erwiesen. Sie helfen, Ängste und depressive Reaktionen abzuschwächen oder aufzuheben. Als Mittel der ersten Wahl gelten heute...

  1. SSRI (Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin, Citalopram, Escitalopram)
  2. SNRI (Venlafaxin)

Außerdem haben sich folgende Substanzen als potenziell wirksam erwiesen:

5.2. Psychotherapie

Vom theoretischen Ansatz her ist die psychotherapeutische Behandlung der PTBS einfach: Es gilt, die Verdrängung zu beenden und das erschütternde Erlebnis ins Selbstbild des Betroffenen aufzunehmen. Je nach Ausmaß der Traumatisierung und je nach individueller Struktur der innerseelischen Befindlichkeit, auf die das Trauma traf, ist das in der Praxis jedoch schwierig.

Lernen Sie, sich selbst zu genügen und sich selbst zu vertrauen. Dann ist die Gefahr gering, an einer PTBS zu erkranken.

Im therapeutischen Prozess wird die Erinnerung an das Trauma wachgerufen. Wesentliches Ziel ist, die zugehörigen Gefühle und Stimmungen als sinnvolle Elemente der eigenen biographischen Entwicklung zu durchleben und anzunehmen. So wird das alte Selbstbild, das bis dahin nur durch mühsame Verdrängung und zum Preis quälender Symptome aufrechterhalten werden konnte, in ein neues Selbstbild überführt.

Da ein Selbstbild aber erst dann in die Persönlichkeit integriert ist, wenn es die Verhaltensmuster der Person spannungsfrei bestimmt, ist viel Arbeit nötig, um die Beziehung des Individuums zu sich selbst und zur Umwelt neu zu gestalten. Bei gründlicher Bearbeitung fallen eine Menge alter Zöpfe ab.

Die Zöpfe, um die es dabei geht, sind jene Einbeziehungen des Umfelds in die Selbstwertregulation des Individuums, die ihm dabei im Wege stehen, der Wirklichkeit als gestraffte, in sich konsistente Person entgegenzutreten, an deren Festigkeit die Verunsicherung des Traumas abgeprallt ist. In der Therapie geht es darum, bislang fehlende Resilienzfaktoren nachzurüsten.